(Breathe In And Out And Go) Easy

Menschen beim Musik machen zusehen ist ja immer eine Freude – und wenn die Leute dann auch noch so gedankenversunken und gut aussehen wie die vier Herren der kalifornischen Band WHY?, lohnt es doppelt und dreifach, sich meinen seit Wochen festsitzenden Dauerohrwurm Easy in der Buzzsession-Variante zu Gemüte zu führen.

Eigentlich müsste man über WHY mal einen längeren, lobhudelnden Beitrag schreiben – wie ich mit Moni und meinen großen Kopfhörern 2008 auf dem Sportplatz lag, wir These Few Presidents hörten und ich mit den immer-schwurbeligen Lyrics nichts anfangen konnte, bis Moni mutmaßte, dass es sich bei den few presidents vermutlich um ein paar Geldscheine handelte, und wie mir Liedzeilen wie You’re a beautiful and violent work / With the skinny neck of a Chinese bird / In a fading ancient painting so nur noch mehr Freude und Poesie bereitet haben. Sollte man mal. Oder einfach die Alben genießen: Auf Apple Music oder Spotify.

Mein persönliches Rauchverbot

Bild von Robert Pfallers Buch »Wofür es sich zu leben lohnt«

Schon vor zwei Jahren erzählte ich in meinem Bekanntenkreis freudig von meinem Vorsatz, nun endlich mit dem Rauchen anfangen zu wollen. Wollte ich natürlich nicht wirklich, aus den offensichtlichen Gründen: Rauchen stinkt, ist ungesund, und dazu noch ziemlich teuer.

Leider finde ich aber auch, dass die Aura des Rauchers eine sehr Erhabene ist; sie setzt ihn auf eine höhere Ebene, von der aus er herabschauen kann auf die Uncoolen, die Unentspannten; die, die sich vom Nichtstun stressen lassen. Der Raucher steht währenddessen lässig mit einer Fluppe zwischen den Fingern an die Hauswand gelehnt und vernebelt sich in giftigem Rauch, mit dem er seinem Umfeld desinteressiert zu verstehen gibt: Ich bin cool genug für dieses Risiko. Ich nehme mich selbst nicht zu ernst (und gleichzeitig doch sehr).

Der Philosoph Robert Pfaller beobachtet in seinem Buch Wofür es sich zu leben lohnt dieses Phänomen der zur Schau gestellten Exzesse: Sie »geschehen offenbar aus Furcht, die Anderen könnten glauben, wir hätten keinen Spaß, wenn sie ihn nicht sehen« (S. 58). Und genau das will ich heimlich: Wahrgenommen werden als jemand, der ordentlich Spaß haben kann.

Ein Fachbegriff für maximale Verspanntheit

Und gleichzeitig: als jemand, der diesen Spaß nicht braucht. Ich habe es natürlich probiert mit dem Rauchen: Heimlich saß ich nachts am Fenster und zog an einer Zigarette; übte, sie lässig zwischen den Fingern zu halten und suchte nach einem Weg, ihren Rauch einigermaßen ästhetisch auszuatmen, ohne dass etwas davon in meine Wohnung geriet. Vor anderen Leuten kann ich das aber nicht; zu albern komme ich mir dabei vor, zu sehr verpasst mir die Zigarette ein Gefühl des Schwindels; eine maximale Verspanntheit.

Auch für diese Unlockerheit hat Pfaller die passende Herleitung: Er nennt sie eine »biopolitische Mentalität«; ein Haushalten mit dem Genuss, der Verschwendung. Im gleichen Atemzug nimmt er das auch scharf in die Kritik: Wer sparsam sei, gehe mit dem Leben um, als wäre es bereits vorbei (S. 172). Im Verschwenden liege die Kultiviertheit der schönen Momente. Das Risiko birgt Lebendigkeit, das Verbotene den Genuss.

Lob der Unvernunft

Wofür es sich zu leben lohnt ist ein gut 250 Seiten langes Lob der Unvernunft, eine sachliche Erörterung des Verbotenen, eine detaillierte Sammlung aller Momente, auf die ich bisher aus biopolitischer Mentalität heraus verzichtet habe. Ich werde vermutlich kein Raucher mehr in diesem Leben. Das ist auch besser so, aber die ein oder andere Seite des Buches hat durchaus meine Einstellung zum Laster verändert: »Das Zerrbild des Genusses ist die Sünde« (S. 52), und ich stelle fest: Für mich ist schon allzuoft der Genuss an sich die Sünde. Während der Rest der Menschheit am Samstagabend ein nettes Glas Rotwein in seiner Hand schwenkt, klammere ich mich an einem Wasserglas (ohne Sprudel) fest. Mein Leben als Zerrbild!

Das wird vor allem deutlich, wenn ich dabei – als witzige Geschichte verpackt – meinen Freunden erzähle, nun endlich mit dem Rauchen anfangen zu wollen: In meinem Kopf ist diese Idee der blanke Wahnsinn, vollkommen unvernünftig und bescheuert. Gleichzeitig stecken sich ja immer noch ein Drittel meiner Altersgenossen regelmäßig eine Kippe zwischen die Lippen, und niemand hindert mich daran es ihnen gleich zu tun. Aber irgendwie: nein. Ich bleibe vorerst beim Bleistift in Zigarettenform, und romantisiere weiterhin die Figur des rauchenden Schreibenden. Vielleicht auch noch etwas mehr als vorher.

Robert Pfaller: Wofür es sich zu leben lohnt (S. Fischer Verlag, 2011)

Nonstop Feelings

Photo of me in a shirt that says Nonstop Feelings

T-Shirt: g31design

Seit Jahren schon bin ich kein Freund mehr von guten Vorsätzen; haben sie sich doch immer als schal, erzwungen, an den Haaren herbeigezogen gefühlt. Das hastige Schreiben von Listen am Jahresende, das unbequeme Reflektieren der Liste des Vorjahres, und die Erkenntnis, dass sich das Jahr eigentlich komplett anders entwickelt hat – teilweise dann auch ins Positive, haben über die Jahre dazu geführt, dass ich mich sämtlicher Vorhaben und Erwartungen an das kommende Jahr entledigt habe. Dementsprechend leer war dann auch mein Ansporn, überhaupt etwas Sinnvolles aus mir und den zwölf bevorstehenden Monaten zu formen.

Das soll sich 2019 ändern. Nicht, weil ich zu lange inspirierende Zitate auf Pinterest gelesen oder ein gratis Lifestyle-Coaching von Bastian Yotta zu Weihnachten erhalten hätte – einfach (wobei von einfach nicht die Rede sein soll!), weil ich in den vergangenen Monaten so viel über mich und meine Muster gelernt habe, dass es Zeit wird, die nötigen Veränderungen in die Tat umzusetzen. Ich bin also mein eigener Coach. Diese drei Punkte stehen 2019 im Fokus:

  • Mehr Exzellenz. Was meine Arbeit angeht, war ich immer Perfektionist – allerdings war das auch einfach, weil ich lange für mich selbst oder alleine gearbeitet habe. In einem Team, in dem ich von vielen anderen Expertisen umgeben bin, ist Perfektionismus anstrengender: Ich neige dazu, Design als Nebensache anzusehen; meine Profession als sekundär anzunehmen, und Design zu sehr als Werkzeug des Eigentlichen zu benennen. Design ist auch zweifelsohne ein Werkzeug, aber eben eins, das eher der Axt als dem Schraubenschlüssel gleicht – und in seiner Anwendung doch die Feinfühligkeit einer Nagelfeile braucht. Viele Worte um eine einfache Sache: Ich will meine Arbeit ernster und wichtiger nehmen, und dafür mehr Zeit investieren. Ehrlich gesagt macht mich wenig so glücklich wie ein gutes (perfektes!) Ergebnis.
  • Mehr Platz einnehmen. Was mich selbst angeht, neigte ich in den letzten 27 Jahren dazu, eher aus dem Weg zu gehen. Das hat mir viele Vorteile verschafft, naheliegend, weil man nie im Weg war und so alles sehr geschmeidig seinen Lauf nahm. Nun merkte ich in den letzten Jahren, dass genau dieses Nicht-im-Weg-sein vor allem mir selbst mehr im Weg steht. Ich sitze also, nach sehr vielen Therapiestunden, mit Simone im City Club Café, und sie spricht die entscheidende Formel aus: »Die Leute, die ich ehrlicherweise am interessantesten finde, sind die, die sich den Platz nehmen, den sie brauchen. Ich selbst tue mich damit sehr schwer.« In diesem Moment waren wir zu sehr vielen Prozent die gleiche Person, und deshalb will ich im kommenden Jahr mehr Platz einnehmen. Dafür müssen eventuell Dinge oder Personen weichen; aber damit umzugehen ist Teil der Sache.
  • Nonstop Feelings. Motto des obigen T-Shirts und gleichzeitig auch die Überschrift der kommenden Monate. Ich war nie besonders gut mit Emotionen – ich habe ihnen nicht vertraut oder sie zu oft einfach für unangemessen befunden. Was mir zum Verhängnis wurde, denn Menschen sind leider keine Steine, auch wenn ich das lange Zeit als sehr praktisch und erstrebenswert empfunden habe. Gefühle in den Momenten, in denen sie auftauchen, zulassen und aussprechen; nicht wegwischen oder abtun, soll also die Kür des Jahres werden.

Klingt nun ehrlicherweise alles doch so, als hätte mich Yotta unter seine muskulösen Fittiche genommen, aber seien wir mal ehrlich: Fittiche (wenn auch nicht unbedingt Bastian Yottas) sind ein sehr angenehmer Ort. Da kann man schon mal verweilen. ?

122018: Think Lightly of Yourself, And Deeply of the World

Image of the night out of the train

Like every morning, my eyes open at 5:55am. Partly because of my inner clock, but also because my thoughts tumble around and wake me up. I start laying out tasks for the day, and conversations I need to conduct; I push words around like letters on a scrabble board, and while I end up with perfect formulations at 5:55, I usually miss out on using them during the day. I stay in bed until 7:30, sometimes 9:00am. Then I get up.

On the last day of this year (you are probably reading this in 2019 already, so take this as a greeting from the past and send it to the archives), I got up at 8:00am sharp. I went to a supermarket and bought three zucchinis. Then I re-read the newsletter I sent out one year ago. It was titled “You Think You Might Not Get Through It But You Do”. That’s probably what I learned throughout this year: You actually do. I finished a lot of things this year; I got a master’s degree, I worked with a lot of great people, and I worked on a lot of things including myself. I end this year being torn between totally agreeing to Jerry Salz’s statement “Work is the only thing that takes the curse of fear away” (I blogged about his great piece on being an artist), and accepting that not working might sometimes actually be the best cure for my nervous self. I might find out in 2019. Don’t cry—work. If you feel like it.

What follows are the occasional recommendations from around the web. E.g. Austin Kleon’s weblog, in particular this exploration of the metaphor “surfing the web“.

I enjoyed this piece by the California Sunday Magazine about Homes. They photographed and talked to a variety of people where and how they feel at home, and the audio layer of the piece makes it extra-intimate.

A couple of weeks ago, I decided to move my blog’s home from Tumblr to a self-hosted system again. I made tons of posts (dating back to 2006!) private, and kept only the writing I still like public. When Tumblr decided to apply content filters as of Dec. 17, I already left the platform. Malte’s tweet summed up my feelings perfectly: “take this recent tumblr crackdown as a reminder that this is still the web. you can learn to build and own your own platforms.” (12/4/2018)

Drawing the 2018-Finishing-Line: Fear has been, yet again, way to dominant in my year, and I want to continue working on taming it. Besides that, I want to become better at using those formulations I make at 5:55am, I want to become better at taking up space, and more intent at making decisions. I hope you all had a great year and have some (not too many!) plans for 2019. Stay safe and sound, Yours truly—Christoph.

I Want You

Nach drei Wochen schreiben wir uns mal wieder, und verabreden uns spontan auf eine Limo im Park / Das Wetter ist schön und wir wandern den Berg hoch; zur Aussichtsplattform / In meiner Orangina haben sich zwei Wespen verfangen / Ich trage sie unbeholfen neben mir her, weil die Flasche noch halb voll ist und ich sie nicht wegkippen will / Wir unterhalten uns über unsere Studienabschlüsse und später, als wir auf dem Bett sitzen, tauschen wir Dating-Geschichten aus / Im Hintergrund beginnt eine Playlist zu spielen, und als der Bildschirm des Handys kurz aufblitzt sehe ich ihren Titel: I Want You / So ist es auch / I want you, alles an dir, jetzt, obwohl es mitten am Nachmittag ist / Sex am helllichten Tag ist komisch, es hat etwas von Arbeit und Pflicht; vermutlich, weil ich so lange im Leben nichts anderes als Arbeit im Kopf hatte / Arbeit, dafür waren die Tage da / Alles andere passierte abends, nachts, wenn es dunkel war, wenn man es nicht so gut sehen konnte und für eine etwaige Rekonstruktion die Teile nicht hell genug erleuchtet waren / Aber hier, jetzt gerade, während I Want You im Shuffle-Modus läuft, ist alles ziemlich gut erleuchtet, und ich habe überhaupt nichts gegen die Möglichkeit einer Rekonstruktion /

How to Deal With A Creative Meltdown

screenshot of the website

Every once in a while I feel insanely insecure about my creative work and my output. I start comparing myself to others, and eventually, I get totally numb and stop making things at all. Which is bad. That’s why a while ago, I jotted down an instagram post to remind myself of my worries, and how to handle them. Sometimes, you just need a little mantra, a spell, a little routine to get back on track.

To get this thing off instagram, I published it on a little website. Check it out and share it with your friends. ✨

“Forget Being a Genius and Develop Some Skills”

screenshot of Jerry Saltz’s article

One of the best things I’ve read this week was art critic Jerry Saltz’s “How to Be an Artist” (New York Magazine, Nov. 26, 2018). In 33 rules, he describes and explains how to deal with life as a creative person, and how to become a better, more confident artist. I nodded my head at almost every single point, but here are the quotes and ideas I actually enjoyed to most:

1: Don’t be Embarrassed. You often reveal things about yourself that others may find appalling, weird, boring, or stupid. People may think you’re abnormal or a hack. Fine. When I work, I feel sick to my stomach with thoughts like None of this is any good. It makes no sense. But art doesn’t have to make sense. It doesn’t even need to be good.

I’ve been studying and working in the creative field for about 10 years now and still feel it, and Jerry’s list doesn’t sound like this feeling of embarrassment and insecurity will go away. So I guess I better learn to deal with it.

Lesson 5: Work, Work, Work. (…) Every artist and writer I know claims to work in their sleep. I do all the time. (…) How many times have you been given a whole career in your dreams and not heeded it? It doesn’t matter how scared you are; everyone is scared. Work. Work is the only thing that takes the curse of fear away.

This last sentence stuck with me. I am going to paint it on the wall of my living room, maybe even on the insides of my eyelids. It’s not necessarily meant in a workaholic way, but in a way to remember myself that creative work can always a safe haven, too.

Lesson 6: Start With a Pencil. (…) Next, draw the square foot in front of you. This can be tight, loose, abstract, realistic. It’s a way to see how you see objects, textures, surfaces, shapes, light, dark, atmosphere, and patterns. It tells you what you missed seeing.

I just enjoyed this little exercise and can recommend it to everyone. Drawing helps you see things.

Forget Being a Genius and Develop Some Skills.

D’uh.

Lesson 9: “Embed thought in material.” — Roberta Smith. (…) An object should express ideas; art should contain emotions. And these ideas and feelings should be easy to understand — complex or not.

Exercise: An Archaeology. Make an index, family tree, chart, or diagram of your interests. All of them, everything: visual, physical, spiritual, sexual. Leisure time, hobbies, foods, buildings, airports, everything. Every book, movie, website, etc. The totality of this self-exposure may be daunting, scary. But your voice is here. This will become a resource and record to return to and add to for the rest of your life.

This reminded me a lot on the Starterpack meme I made a couple of months ago, which was so much fun and taught me a lot about myself. It also made me accept myself more.

Lesson 14: Compare Cats and Dogs. Okay, this sounds ridiculous, but call your dog and it comes right over to you, placing its head in your lap, slobbering, wagging its tail: a miraculous direct communication with another species. Now call your cat. It might look up, twitch a bit, perhaps go over to the couch, rub against it, circle once, and lie down again. What am I saying? In seeing how the cat reacted, you are seeing something very close to how artists communicate.

This quote is a much needed argument for cat people, like me.

The best definition of success is time — the time to do your work.

When I was working in an agency full-time, I enjoyed the work I did, but it often didn’t feel like creative work—as it was never work that included myself as an artist. It was client work. After I couple of years I noticed that this doesn’t make me happy. Today I still sometimes feel guilty about it; something in my head tells me that anything but a full-time job is just lazy. Turns out: Creativity is a full-time job by itself.

Envy looks at others but blinds you.

I guess the only way to prevent my eyes from getting worse is to change my view on fellow designers and artists. Not that I am full of envy, but I noticed looking at other people’s work too much prevents me from believing in my own stuff.

After beating yourself up for half an hour or so, stop and say out loud, “Yeah, but I’m a fucking genius.”

Because you are! Amen.

Read “How to Be an Artist” by Jerry Saltz on Vulture.