Im Erdgeschoss

In die Erdgeschosswohnung im Nachbarhaus ist jemand eingezogen. Lange stand sie leer – im Erdgeschoss wohnen ist in einer Großstadt ziemlich unattraktiv. Ständig laufen hier sehr viele verschiedene Leute vorbei, alle sind neugierig, viele bestimmt auch frech. Ich stelle es mir stressig vor.

Aber nun wohnt da jemand. Das Licht ist immer an. Gleißend weiß beleuchtet eine LED-Glühbirne das Zimmer zur Straße. Nichts Wohnliches strahlt dieses Licht aus. Aber es macht die spartanische Einrichtung sichtbar: Ein lustlos bezogenes Bett steht in der einen Ecke. In der anderen ist ein kleiner weißer Tisch mit einem wackelig aussehenden Plastikstuhl platziert. Auf ihm sitzt immer ein Mann, vielleicht Ende 30. Er schaut in sein Handy. Neben ihm: ein Gummibaum, und manchmal ein Wäscheständer.

Es ist nicht so, als hätte ich lange neugierig durchs Fenster in die Wohnung gestarrt. Aber das ist eben die Sache bei hell erleuchteten Erdgeschosswohnungen: Wer daran vorbei läuft, schaut zwangsweise auch hinein. Das weiße Licht irritiert mich jedes Mal. Wie kann man sich gerne in diesem Raum aufhalten? Aber immer wenn mein Blick dann auf die Person fällt, und auf die spärlichen Einrichtungsgegenstände, denke ich: Es sieht gar nicht nach wohnen oder nach aufhalten aus. Eher nach aushalten. Der Mann und die Gegenstände, dicht an die Wände des Zimmers gedrängt, sitzen die Situation nur so aus – bis ich und meine Blicke endlich an der Wohnung vorbei gegangen sind.