Mai-Liste 2023

Kollage mit Fotos aus dem Mai

  • Im Mai: Viel Müßiggang. Fast kommt in meiner freien Woche so etwas wie Langeweile auf; an so einem Punkt war ich lange nicht mehr, und ich genieße es sehr.
  • Im Mai gelernt: Ein schreiendes Kind in einem vollen Museum im Arm haben ist nicht so stressig, wie ich es mir vorgestellt habe. In der Situation ist man so mit dem Kind beschäftigt, dass einen die Menschen herzlich wenig interessieren.
  • Deutschlandticket: Mega!
  • Ich nehme mir vor, shoppen zu gehen. Aber alles kostet 200 Euro und sieht spießig aus. Sieht es wirklich spießig aus, oder bin ich einfach nur geizig? Ich weiß jedenfalls nicht, warum die Münchner so fasziniert sind von teuren, mit Strass besetzten Turnschuhen.
  • Alle paar Jahre besuche ich die Pinakothek der Moderne in München. Sie ist ein besonderer Ort für mich; ich erinnere mich, wie mich meine Eltern als Kind dorthin mitgenommen haben, und ich zum ersten Mal mein Interesse für Design und Objekte entdeckt habe. Das hallt immer noch nach in diesen Räumen.
  • Endlich viel viel viel Terrasse!
  • Ich laufe durch die neue Wohnung von E. An jeder Wand, an der wir vorbei kommen, hängt eine Kunst oder ein Bild oder eine Skulptur, zu der sie eine Geschichte hat, und ich denke: So sind wir jetzt. So wäre ich jedenfalls gerne.
  • Der Hund ist mir im Park ausgebüxt. Es war aber auch naiv von mir, sie loszulassen; ich spreche kein Italienisch und sie versteht kein Wort, wenn ich mit ihr rede. Ich musste eine ältere Dame und ihren Hund bitten, sie mit mir einzufangen. Danach kaufte ich eine Schleppleine (gefällt dem Hund überhaupt nicht).
  • Schon wieder stehe ich mit Anfang 30 an einer entscheidenden Weggabelung: Tonsur als Trendfrisur, oder Minoxidil?
  • Ich baue ein Regal auf, und obwohl es wirklich einfach geht, merke ich es: Ich bin schwach. Ein richtiger Schwächling! Meine kleinen Ärmchen drücken auf lächerliche Art und Weise die Regalböden ineinander, und nach einer Stunde sinke ich müde über dem Sideboard zusammen. Kurz darauf reaktiviere ich meine Fitnessstudio-Mitgliedschaft. Was ist nur aus meinem Plan geworden?!
  • Spaziergang mit P. Wir sind frustriert über unsere kreative Arbeit. Alle paar Wochen müssen wir uns deshalb gegenseitig einen kleinen Pep-Talk geben: »Du machst genug, du bist kreativ, das einzige woran du arbeiten musst sind deine Erwartungen an dich selbst.« Es hilft, für einen kurzen Moment jedenfalls.
  • Ordnung macht mich glücklich; Arbeit und Struktur.
  • Mittags in Mitte: Ich ertrage diese ganzen schönen Menschen mit ihren 500-Euro-Pullovern und knöchelfreien Hosen und perfekten Frisuren einfach nicht mehr. Ich wollte jahrelang auch so sein, und mittlerweile habe ich meinen Frieden damit gemacht: It ain’t me.
  • Ich fahre durch die Stadt, die Friedrichstraße hinunter. Überall leere Büros. Interessant, der Stadt so dabei zuzusehen, wie sie sich selbst abschafft.

012023: Dogs, Beans, and Red Badges

Me sitting in a big golden picture frame outside, in the back of the picture: a lake and tree

I’m currently on a train back to Berlin. My sparse data plan is already used up, and as the train’s wifi is not working, I am treating myself to five hours of flight mode. Over the past months or maybe even years, I became extremely sloppy with answering text messages. The little red badges on my phone’s apps kept multiplying exorbitantly—until I finally deactivated them. I used to be on top of my game and very active on social media, eager to connect to people and keep digital conversations going. I found it exciting, and I gained energy from the digital exchange. But looking at those 15 unread WhatsApp messages, 10 long Instagram direct messages awaiting a reply, and an email app very far away from “inbox zero”, I have to admit that I am not that person on top of their game anymore. I can’t keep up.

But I also have to say: I don’t want any of it. I want to be at the bottom of things. Endless conversation streams are almost as exhausting as endless meetings, endless classical concerts, and endless scrollable feeds. I prefer things to have a beginning and an end. A narrative, so to speak.

Just as I struggle with keeping a tidy inbox, I feel exhausted keeping up with current debates on technology. After Elon Musk bought Twitter and sent it down its hell ride, I basically left the platform. I do not miss it; those timelines and “digital products” in general have lost their joy and meaning for me. Therefore, I missed most of the early and heated debate on ChatGPT. I do find its rise interesting, to some extent. But I do not care about computer-generated vocals, or artificial radio hosts, or machine-written movies. There’s no joy in that; we’ll get bored by it quickly. I am more curious about how people and states will learn to live with these inflammatory tools, and I want to see them bring an actual positive impact to the world. Haven’t read much about that yet. Until then, I’ll mute the buzzwords. We still are in control of who and what we pay attention to—at least for now we are.

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On dogs. When spending time with the dog, I remembered the On Being podcast episode with artist and illustrator Maira Kalman. She describes dogs in the most beautiful way: “They’re heroic, and they’re comic at the same time, which I guess is my favourite way of looking at things.” In her book Beloved Dog, she writes: “They are constant reminders that life reveals the best of itself when we live fully in the moment and extend our unconditional love.”

On beans. I’ve been enjoying Kerry Cunningham’s newsletter Circle Back so much recently! She’s so funny! I loved this issue about Anish Kapoor’s new and sad Bean sculpture in New York from a while ago. Subscribe here.

On the blog: I keep writing my monthly lists. They’re a good processor of life’s events. Read all lists, or specifically January 23, February 23, March 23, April 23.

Briefly noted: My friend/colleague/accomplice Sonja and I will host our annual Writing = Design workshop at University of the Arts in Berlin this summer. It’s one week (August 7 – 11) of writing and exploring text, and if this sounds like it could be something for you: It is! English language, everyone is welcome, find all the details here.

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I hope you had a great start into the year and are enjoying some of the much needed spring sun that has been appearing every once in a while recently. Watch out for big red notification badges, turn them off, even, and go for a little walk. Greetings from within flight mode.

(If you enjoy content like this: I send it out as an irregular newsletter called Christel’s CornerSign up for it here.)

April-Liste 2023

Foto-Kollage vom April 2023

  • Ich wäre gerne jemand, der Sonntags brunchen geht und sich diese riesigen Teller voll mit Eggs Benedict und herzhaftem Brioche und Salat und riesigen Milchkaffees bestellt. Bin ich aber einfach nicht. Zu viel Genuss!
  • In einem Biergarten frage ich nach einem alkoholfreien Getränk. »Have you tried our Hop Water?! It’s hop extract with Seltzer!« Ich probiere es, schmeckt fürchterlich, und aus Höflichkeit bestelle ich natürlich ein ganzes Glas davon.
  • Über Ostern verbringen wir ein paar Tage an der Ostsee, um dem Hund das Meer zu zeigen. Das Meer interessiert sie überhaupt nicht, aber Sand. Sand! Wie sehr kann man Sand lieben?! Der Hund dreht komplett durch, und die Wonne strahlt auf uns ab.
  • Ich frage mich, warum, aber ich liebe Hotels. Die Sterilität, die Fassade, dieses Bestreben nach Hospitalität – es nimmt mir das Nachdenken über Infrastruktur ab, und das ist für mich eine große Erholung.
  • Auf der Zugfahrt lese ich über die Stadt Schwerin und mache mich lustig über das Foto der »Skyline« auf Wikipedia (ein Rapsfeld mit einigen Häusern im Hintergrund). Schwerin ist allerdings wunderschön und einen weiteren Besuch wert!
  • Jedes Mal, wenn ich eine Auster esse (was so gut wie nie vor kommt), weiß ich schon vorher: Ich hätte es einfach lassen sollen. Man sollte es generell lassen; was haben die Menschen mit Austern?!
  • Eine ältere Frau spricht Gisela (den Hund) an: »Wo ist denn dein Krönchen?! Pudel bekommen doch beim Friseur ein Krönchen verpasst! Seiten kurz, oben lang!« Ich wusste nicht, dass der Sei-ku-o-la auch bei Pudeln angesagt ist, aber werde gleichzeitig das Gefühl nicht los, dass die Dame in Sachen Hundefrisuren auch ein wenig gestrig unterwegs ist.
  • Im April habe ich zwei neue Happy Places für mich entdeckt: Zum einen das Garten-Center, das durch meine neue Terrasse nun endlich einen Besuch wert ist, und: Meine Bezirks-Bibliothek! Ich bin noch ganz neu, und ich liebe sie innig!
  • Auf Tiktok erklärt mir eine Frau, wie ich bei Nervosität zwischen Bauchgefühl (»Warum … nicht einfach machen?!«) und tatsächlicher Panik (»Aber was, wenn … passiert?!«) unterscheiden kann. Ich denke eine Weile über ihre Theorie nach; es könnte was dran sein. Weil ich Sorge habe, mich immer öfter an Tiktok-Theorien zu orientieren, lösche ich daraufhin die App.
  • “Pay attention to what you pay attention to.” (Amy Krouse Rosenthal)
  • Beim Friseur verweigert mir die Friseurin den Sei-ku-o-la. »Du brauchst mehr Haare! Dein Gesicht ist so zart. Wie eine Birne.«
  • Ich glaube, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben ein echtes Wildschwein gesehen? Diese Tiere sind etwa doppelt so groß und breit wie ich sie mir vorgestellt habe?!
  • Naheliegender und immer wirksamer Problemlöser für Zerknautschtheit, Traurigkeit, Müdigkeit und Trägheit: Rausgehen. Es hilft einfach immer.
  • Zum Monatsende verlasse ich die Stadt für ein paar Tage. Die Stille tut gut. Das Handy nicht. Ich nehme mir vor, es in meinem Koffer einzuschließen und durch mentales Training den Zahlencode zu vergessen. Over and out.

März-Liste 2023

Foto-Collage vom März 2023

  • Letztendlich habe ich begonnen, die über Monate anhaltende Müdigkeit mit Tabletten zu bekämpfen. Scheint zu funktionieren!
  • Habe mit zwei Leuten gesprochen, die in Berlin nicht gefunden haben, wonach sie suchen, und nun weiterziehen. Zu wissen, was man sucht, das ist doch schon die halbe Miete. Ich bleibe vorerst hier.
  • Hier und da gab es ein paar Sonnenstrahlen zwischen den Regenschauern, und wir saßen in den neuen Stühlen auf der Terrasse und hielten unsere Nasen hinein, Andrea und ich und der Hund, und es ging uns direkt besser!
  • Ich liege im Gästezimmer meiner Eltern, um meinen Körper schleicht die Katze und schnurrt und legt eine Decke der Erholung über mich.
  • Generell: Viele Katzen gestreichelt diesen Monat, das tat gut!
  • Eine lange Zugfahrt ohne Chill Pill überstehen, das ist einer der kleinen Erfolge, die es zu zelebrieren gilt!
  • Wollte seit langer Zeit mal wieder auf eine Hausparty, weil ich das Gefühl so nostalgisch und jugendlich erinnere. Als ich mich im März nun auf einer wiederfand, offenbarte dieses Gefühl sein eigentliches Gesicht: Ich fühle mich deplatziert. Ich bin einfach sehr oft deplatziert auf solchen Events. Wie gut, dass ich mir mittlerweile erlaube, zu gehen, wenn es mir reicht.
  • Meine Kreativität gleicht einem sehr sehr stumpfen Bleistift. Seit Wochen schon, oder seit Monaten. Seit Jahren, wenn man genauer hinsieht. Was hilft? Martin sagt: Output Output Output. Und recht hat er!
  • Erinnere mich gerne an einen Satz, den Beate mal gesagt hat: Manchmal muss man sich die Liebe auch vorspielen, um sie zu erhalten. Das gilt auch für viele andere Dinge im Leben.
  • Willemsen in der Deutschen Kinemathek. Fast fällt es uns schwer, uns auf die langsam geschnittenen Talk-Runden zu konzentrieren. Die müde Studiobeleuchtung. Heute ist alles schneller und bunter und heller.
  • Tipp: Vor einem Besuch im Tropical Islands die haarsträubenden Rezensionen auf Trip Advisor lesen. Der Besuch war folglich eine sehr positive Überraschung, und der Ort an sich ist natürlich an Absurdität kaum zu überbieten. Wusste auch gar nicht mehr, wie viel Spaß Wasserrutschen machen!
  • Regen und Sonne und Regen und Sonne und Regen und Sonne.
  • Habe mir ein absolutes Life-Upgrade gegönnt und besitze nun eine Spülmaschine! Wie konnte ich so lange ohne leben?! Reinste Magie, das Ding.
  • In Sonjas Wohnung hängt ein Bild, auf dem steht in kleinen Schreibmaschinen-Lettern: write a text, now. take out all lies.

Allesandersplatz

Haus der Statistik am Alexanderplatz

Manchmal fahre ich mit meinem Fahrrad über den Alexanderplatz. Ich dränge mich durch die Kreuzungen und roten Ampeln und Massen an Autos, und ich denke: Diese Stadt ist wirklich kompliziert geworden. Nichts hier ist mehr einfach. Das Fortkommen, das Ankommen; überall stellen sich Leute in Schlangen. Alle wollen aneinander vorbei. Ich stehe dann an der Kreuzung und schaue auf das Haus der Statistik. Über die letzten Jahre war es zu einer Ruine verkommen, nun wird es eingerüstet, und vermutlich wird irgendetwas damit passieren. Die großen roten Buchstaben STOP WARS verblassen so langsam. Auch das ist kompliziert geworden. Pazifist sein ist kompliziert geworden.

Und dann, wenn sich der Winter dem Ende neigt, und ich gegen 17 Uhr über die Jannowitzbrücke oder durch das Regierungsviertel fahre, und die Touristen am Ufer der Spree flanieren, und die Sonne so langsam untergeht, dann denke ich trotzdem immer noch: Diese Stadt ist die richtige.

Februar-Liste 2023

Collage mit Bildern aus dem Februar: Hund, Notizbuch, Portrait-Zeichnungen

  • Sich im Home Office unproduktiv fühlen: schrecklich. In einem Büro mit Menschen unproduktiv sein: Fun! Ich arbeite seit Beginn der Pandemie fast ausschließlich remote, und Village One ist auch darauf ausgelegt. Aber der Effekt, dass kreative Orte auch neue Ideen entstehen lassen, ist real, und ich vermisse ihn ab und an.
  • Was mögen Menschen, die erst seit ein paar Wochen auf dieser Welt sind? Ich stehe in einer riesigen Kinder-Abteilung und kaufe: Nichts. Diese neuen Menschen wissen doch nicht mal, was der Himmel ist, und wie viele Geräusche es gibt, und wie man jemandem richtig die Hand schüttelt.
  • Ich treffe Kiwi im Edeka Center am Moa-Bogen. Seit Jahren suchen wir ein gemeinsames Hobby, und jetzt fällt es uns wie Schuppen von den Augen: SHOPPEN! Das ist es! Wir durchforsten den riesigen Supermarkt nach neuen, unerwarteten Produkten, gestikulieren wild über Preiswucher und stellen ein künstlerische Auswahl Schokonüsse für Nadine zusammen. Um ein Haar hätte ich auch noch das Weingummi-Bouquet gekauft.
  • »It’s not about getting it right, it’s just about getting it«, sagt die Künstlerin Maira Kalman im On Being Interview. Ich mache mir ihr Zitat ab jetzt zum Motto.
  • Warum kriege ich nichts gebacken?! (Frage ich mich dick eingekringelt im Tagebuch)
  • Ok nicht ganz: Habe Apfelkuchen gebacken!
  • Februar 2023: Das erste Mal Hundekot eingesammelt. Das war für mich immer einer der größten Gründe gegen einen Hund. Turns out: Es ist gar nicht so schlimm. Alle, die ihren Hundekot nicht entfernen, sind absolute LOSER!
  • Als wüsste ich es nicht schon längst: Der Körper sagt einem ganz genau, was Sache ist. Die Angststörung lässt mich nur manchmal an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln. Aber auch die Angst hat immer irgendwie mit irgendwas recht.
  • Beim Flur-Streichen höre ich einen Podcast über griechische Mythologie. Ich lerne, dass der Hirtengott Pan zwar kein besonders angesehener Kämpfer war. Sein Schrei jedoch ließ alle seine Gegner die Flucht ergreifen. Darin hat der Begriff Panik seinen Ursprung.
  • Mitte des Monats wird mir alles klar: Ich bin in meiner Half-Assed-Era! Alles, was ich tue, tue ich gerade irgendwie halbherzig. Ein schrecklicher Zustand. Ich fühle mich wie eine Schnecke; langsam und träge und ohne Elan. Wird Zeit, diese Era zu beenden!
  • Ich raffe mich auf und besuche eine Portrait-Zeichengruppe, die ich via Meetup.com gefunden habe. Erst dachte ich, das wird seltsam, weil ich ja niemanden kenne. Aber alle waren sehr nett und konzentriert und wollten zeichnen! Ich durfte als erster sitzen, 15 Minuten, und dann insgesamt sieben Portraits zeichnen. Das war toll! Dediziert Raum dafür haben, ganz genau hinsehen können, nichts erreichen müssen, einfach nur studieren und ausprobieren. Nach den ersten Blättern merkte ich, wie ich besser wurde.
  • Aus vielen Zweifeln wird so langsam – durch viele gute Gespräche – ein bisschen Orientierung.