Sächselnde Schweiz 1: Schiffsgeräusche

watercolor drawing of a house

Das erste mal lerne ich von meiner miserablen Kondition am Beginn der Tour, als ich vom Taxi aus zum Gleis rennen muss, durch den kompletten Bahnhof, um den Zug nach Dresden noch zu erwischen. Als nervöser Typ nehme ich von zu Hause aus standardmäßig sowieso zwei S-Bahnen vor der S-Bahn, die noch reichen würde. Leider sind alle ausgefallen.

Ich haste also zum Taxistand und bitte den Fahrer, den möglichst kürzesten Weg zum Bahnhof einzuschlagen. Der führt über den Berliner Stadtring, und, richtig: auf dem herrscht Stau. Ich entspanne mich also mit dem Wissen, dass ich den passenden Zug sowieso nicht mehr erwische. Dann brettert der Fahrer aber die erste Ausfahrt wieder raus, kurvt durch einige Seitenstraßen (ich vertrage Autofahrten nicht sonderlich gut und schließe die Augen), und biegt dann mit einem Quietschen auf den Parkplatz des Bahnhofs ein. Drei Minuten hab ich noch – er wünscht mir Glück und ich renne los.

Die Stadt erreicht man vom Bahnhof aus nur über eine Fähre, die im 30-Minuten-Takt die Elbe überquert. Es ist ein bisschen lächerlich: Das verhältnismäßig große Schiff tuckert einige wenige Kilometer über den Fluss, macht dann eine rabiate Wende, und fährt wieder zurück. Aber die Geräusche des Schiffsbauchs im Wassers mag ich. Dumpf und hohl und hallend, trocken und düster, und trotzdem: Urlaub.

Es ist heiß und ich spaziere durch die Straßen. Geisterhaft wirken sie: Sobald ich mich vom Marktplatz entferne, werden die Gehwege schmal und die Fassaden grau. Gefühlt jede zweite Ladenfläche ist leer; mit Zeitung tapezierte Schaufenster und verwitterte Ladenschilder verblassen in der Morgensonne. Es gibt ein paar Bäckereien, die aufgebackene Brote und Fertigkuchen verkaufen, die Eisdielen öffnen erst Mittags. Ich habe Angst, dass ich mittlerweile einer dieser versnobten Kaffee-Städter bin, die das Kaffeegemisch aus dem Vollautomaten angewidert verachten. Ein »Modeeck« gibt es natürlich auch, in der kurzen Einkaufszeile mit dem üblichen chinesischen Restaurant; Camping-Bestuhlung und batteriebetriebene Neon-Leuchtschilder. Kaum ein Laden hat geöffnet, und ich habe die Befürchtung, dass dieser »Kurort« nur ein Ort der Durchreise ist – für Wandernde, und vor allem: Für Autos.

Davon gibt es hier viele. Die Leute wollen schnell ins Naturschutzgebiet, und dass der Ort primär für fahrende Autos gemacht ist, merkt man auch daran, dass es nur einen riesigen Parkplatz vor dem Supermarkt gibt, und die einzige Verbindung zur anderen Elbseite eine große Brücke ohne Fußweg ist. Wander-Feelings kommen hier noch nicht direkt auf.

Sächselnde Schweiz 2: Ausblick
Sächselnde Schweiz 3: Spritz Aperol