Sächselnde Schweiz 3: Spritz Aperol

watercolor drawing of rocks

Ich bin offenbar einer dieser Hotelgäste, die nach der ersten Nacht zur Rezeption gehen und sich nach einem neuen, »festeren« Kissen erkundigen. Ich schiebe es aufs Alter: Wenn ich alt genug bin, Urlaub in einem ordentlichen Hotel zu machen, kann ich auch öffentlich zu meinen Rücken- und Nackenbeschwerden stehen. Abends telefoniere ich mit einem Freund, der mir von einem Hotelbesuch erzählt, bei dem es ein »Kissenmenü« gab. Dort konnte man zwischen diversen Kissen und Bedürfnissen wählen, und dann beim Zimmerservice das gewünschte Kissen bestellen. Das hat für mich neue Maßstäbe gesetzt.

Abends gehe ich ins Hotel-eigene Restaurant – das einzige im Ort, das neben der Zwiebelssuppe noch weitere vegetarische Gerichte anbietet. Im Hintergrund laufen Popsongs im Panflöten-Remake: »Angels« von Robbie Williams, irgendwas von Elvis, Moon River. Musik zum Überhören. Ich bin nicht der einzige Alleinreisende: Hinter mir auf der Terrasse telefoniert ein Mann, vor sich hat er ein großes Bier stehen. Er dropt einen Dad Joke nach dem anderen in sein Handymikrofon und wiehrt laut. Später verabschiedet er seinen Gesprächspartner mit »Servas«. Rechts von mir sitzt noch ein älterer Herr. Er ist nervös; beschwert sich über die flackernde Beleuchtung und verlässt in Windeseile seinen Platz, sobald sein Bier leer ist. Alleine essen gehen ist auch wirklich merkwürdig, man fühlt sich von allen beobachtet, die Blicke schreien dich an, obwohl du selbst ja ganz leise bist.

Die ältere Frau weht in ihrem dünnen Leoprint-Strandmantel über die Hotelterrasse und schreit nach ihrem Mann. Der hat es sich vorne an der Promenade bereits mit einem Bier gemütlich gemacht und hält seine Glatze in die Sonne. Aber die Frau kann da nicht sitzen; die Sonne, das ist ihr zu heiß, also setzen sie sich neben mich in den Schatten und bestellen: Er Spaghetti-Eis, sie Spritz Aperol. »Apoerol Spritz?« fragt der Kellner. »Ja, gena, Spritz Aperol«, antwortet die Frau, wickelt sich in ihr Strandtuch und widmet sich wieder ihren WhatsApp Nachrichten. Alte Ehepaare erzählen sich nur noch, welche Anrufe sie verpasst und welche WhatsApp Nachrichten sie erhalten haben. Mehr ist nicht. Davor wird der Hugo kommentiert, die Erdbeeren sähen ja nett aus, dann Schweigen bis zur nächsten WhatsApp Nachricht. Uwes OP wurde verlegt. Wer ist Uwe? Na der Mann von der Sybille. Achso. Schweigen.

Sächselnde Schweiz 1: Schiffsgeräusche
Sächselnde Schweiz 2: Ausblick