Über Kapitalismus

Kapitalismus ist so ein großer, düsterer Begriff – ich habe mich bisher kaum an ihn herangetraut. Ich weiß, dass wir in einer kapitalistischen Gesellschaft leben; dass er auch Vorteile und positive Aspekte hat. Aber gleichzeitig weiß ich: Wir brauchen ein besseres, nachhaltigeres System. Jason Hickel fasst in diesem Twitter-Thread Elemente aus seinem Buch Less is more zusammen. Er definiert Kapitalismus darin nicht, wie viele Menschen, durch »Märkte und Handel«. Das alles gibt es seit Jahrtausenden. Kapitalismus selbst sei aber erst 500 Jahre alt – Hickel erläutert also:

People often assume that capitalism is defined by “markets and trade”. But markets and trade existed for thousands of years before capitalism. Capitalism is only 500 years old.

Hier seine drei wichtigsten Thesen:

First, and most importantly, it [capitalism] is defined by enclosure and artificial scarcity. The origins of capitalism lie in a systematic effort by elites to restrict people’s access to commons and independent subsistence, in order to render them reliant on wage labour for survival. (Tweet)

Künstliche Verknappung und Eingrenzung von Gemeingut und Gütern (wie etwa Wohnraum, Nahrung oder Bildung) wurde in den letzten 500 Jahren unkontrolliert vorangetrieben durch Privatisierungen und forciertes Wachstum:

Second, capitalism is organized around – and dependent on – perpetual expansion, meaning ever-increasing production of commodified goods. It is the only intrinsically expansionary economic system in history (meaning it basically has a crisis if it doesn’t continually expand). (Tweet)

Alles muss immer größer, schneller, lauter, profitabler werden. Unser Wirtschaftssystem gerät in eine Krise, wenn nicht expandiert wird. Dummerweise geht es bei diesem Wachstum nicht darum, den Bedürfnissen der Gesellschaft nachzukommen (sonst wäre etwa dringend benötigter, bezahlbarer Wohnraum einfacher zu erschaffen), sondern darum, Profite (Knete!) zu machen. Knete Knete Knete.

Finally, capitalism is notable for precluding democratic decision-making. Even in countries that prize political democracy, democratic principles are rarely allowed to operate in the sphere of production, where decisions are made overwhelmingly by those who control capital. (Tweet)

Geld ist Macht; wer viel Geld hat, darf viel bestimmen – ein einfaches, bekanntes Dilemma. Priorisiert werden auch in horrenden Krisen wie der Klimakatastrophe, in der sämtliche Fakten und Szenarien auf dem Tisch liegen, nicht die Maßnahmen, die für die Bedürfnisse der Gesellschaft nötig wären (wie etwa: Reduzierung der Emissionen, um Naturkatastrophen, Hunger, Flüchtlingswellen und generelle Erderwärmung zu reduzieren), sondern vor allem die, die wirtschaftlich gewinnbringend sind. Die Machthabenden wollen Geld – it’s always been like that. Märkte und Handel an sich sind nicht das Problem; es sind die daraus resultierenden, kaum regulierten Praktiken: Künstliche Verknappung, erzwungenes Wachstum und finanziell motivierte politische Entscheidungen sind der Kapitalismus, der uns von innen heraus aushöhlt.