Über Paradiesvögel

Das Zeit Magazin veröffentlichte in der aktuellen München-Ausgabe eine sehr schöne Erinnerung an Rudolph Moshammer (Abo-Artikel), den selbsternannten Modezar; die Ikone der Münchner Schickeria um die Jahrtausendwende. Im Januar 2005 wurde er ermordet.

Im Magazin wird er als »erster Influencer« beschrieben, was irgendwie Unsinn ist; es degradiert ihn (meinem Frust über Influencer räume ich an dieser Stelle keinen Platz ein). Moshammer war, und das beschreibt der Artikel trotzdem auch sehr gut, ein Paradiesvogel im besten Sinne; stolz auf sein Anecken; er hat es sich zurecht gemacht in seiner Sonderbarkeit, und durch die eigene Inszenierung eine Welt erschaffen, die man vermisst, obwohl man gar nicht Teil von ihr war. Kurz ermöglicht das das eben erschienene Portrait in der BR-Sendung »Lebenslinien« (ARD Mediathek).

Ich habe ein Faible für Paradiesvögel. Vor einigen Monaten hatte ich eine intensive Gianni-Versace-Phase; ich habe alles über ihn gelesen und auch die eher mittelmäßige True-Crime-Serie über seinen Mord verfolgt. Die Modewelt scheint das perfekte Sammelbecken dieser Sonderlinge zu sein, was so spannend ist, weil mich die Modeszene immer eher abgeschreckt hat; sie sich immer so anfühlte, als wäre sie ein sehr privater Club nur für sehr coole Leute.

Johannes und Florian haben gerade ein schönes Radiofeature über Karl Lagerfeld und seinen privaten Club gemacht, dessen Day in the Life Interview ich an anderer Stelle schonmal empfohlen hatte. Lagerfeld macht diese Sturheit und Sonderbarkeit noch mehr zur Marke als alle anderen; er verkauft sie als Lebensmotto (»Stress? Ich kenne nur Strass!«), mit dem sich jeder identifizieren kann.

Ich kann persönlich wenig mit Versaces Mode anfangen, genauso wenig mit Moshammers Stil oder Lagerfelds Markenimperium. Ich finde das alles interessant, nur selten schön. Aber die Tatsache, dass sie mit ihrer Eigensinnigkeit, Überheblichkeit und ihrem konsequent sonderbaren Geschmack Erfolg hatten bzw. haben, beruhigt mich.