Am Nordbahnhof tritt ein junger Mann auf die Straße und übergibt sich mehrfach und leidvoll. Ich warte eine Weile und frage ihn, ob er etwas brauche. Er bittet um ein Taschentuch, ich gebe ihm eine Packung. Diese von Ekel erfüllte Distanz zwischen uns bei der Übergabe war eigentlich gar keine Absicht; ich glaube, sie ging unterbewusst von uns beiden aus.
Mehrere spätsommerliche Abende verbringe ich am Laptop, mit kleinen Nebenprojekten wie der Neuauflage vom Besten Witz, oder dem Lernen eines Website-Frameworks. Ich genieße die Stille und den Fokus, in den mich die Arbeit zieht.
»Im not messy, I’m busy!«, sagt Frances Ha, als sie ihr unordentliches Zimmer vor ihrem Gast rechtfertigt. Nach Jahren schaue ich den Film von Greta Gerwig ein zweites Mal. Ich bin zu alt dafür geworden, aber einige Szenen berühren mich trotzdem noch.
War zum ersten Mal bouldern. Hate to say it, aber es hat wirklich Spaß gemacht. Nachdem in den ersten zehn Minuten alle meine Vorurteile bestätigt wurden (merkwürdig unscheinbares Publikum, belehrende Typen, strenger Geruch), konnte ich mich drauf einlassen, und werde es vermutlich wieder tun!
Ich gehe mit P. zur Lesung einer Autorin, die gerade ihren ersten Roman veröffentlicht hat. Wir reden über junge Autor·innen, die oft über Twitter oder Instagram berühmt, dann von Verlagen zu einem Bildungsroman verpflichtet werden, und so für immer dieses Label tragen.
Urlaub in Italien. Auf den ersten, flüchtigen Blick ist Neapel ziemlich schmutzig. Auf den zweiten auch. Aber die Pizza ist wirklich gut! In den Cafés läuft Neomelodico Napoletano; neapolitanische Balladen. Die Menschen hier können sich nicht entscheiden zwischen dem Fußballgott Maradona und Jesus, und beten deshalb beide an.
Pompeji. Auf einem erhaltenen Fresko reitet ein kleiner pummeliger Junge auf einer Krabbe. Absurd, dass diese über 2000 Jahre alten Wandmalereien erhalten sind. Ein Archäologe erklärt, dass die großen Löcher im Putz daher kämen, dass Menschen die Fresken gestohlen und verkauft hätten.
Kurz nachdem wir Neapel verlassen und auf die nächste Insel fahren, lese ich über die phlegräischen Felder. In der kommenden Nacht wird Neapel von einem Erdbeben erschüttert. Einige Zeitungen titeln, die Leute seien schreiend auf die Straße gerannt. Ich muss mich anstrengen, Ruhe zu bewahren, und komme mir dumm vor. Einerseits, hierhin zu reisen, zu der Zeit, in der Expert·innen Unruhen vermelden. Anderseits, weil ich so unentspannt bin, und mich dem Studel der Panik hingebe.
Ich esse ein Babà; ein in Rum eingelegtes Gebäck. Ich traue mich kaum. Alkohol ist für mich seit jeher etwas Verbotenes; es darf mir nicht schmecken. Ich brauche lange, um mir einzugestehen, dass es mir aber doch ganz gut geschmeckt hat. Immer wieder stolpere ich über Denkmuster aus meiner Kindheit und Jugend, die es zu verlernen oder neu zu lernen gilt.
Ich stehe auf dem Balkon der Ferienwohnung. Auf dem kleinen Insel-Ausläufer, auf dem die Festung steht, dreht sich das Licht eines Leuchtturms. Darüber hängt der Mond. Unten in der Stadt singt ein Pianobar Popsongs; ein Auto fährt den Hügel hoch. Am Horizont funkelt die Küste, und Neapel, und den Vesuv hat die Dunkelheit schon verschluckt.
Es ist neun Uhr morgens, ich lese am Strand im Schatten einer Pergola. Neben mir setzen sich vereinzelt immer wieder alte italienische Männer; Nonni. Sie haben dunkle, schrumpelige Haut, vom Rauchen oder von der Sonne, vermutlich von beidem; es geht ihnen gut.
Abends an der Strandpromenade. Ich starre eine ältere Frau mehrere Sekunden lang an, weil ich mir sicher bin, wirklich sicher!, dass sie eine dieser Spaßbrillen mit angehefteter Kunststoffnase trägt.