Gegen das Aus-der-Welt-fallen

Ich habe etwas Schorf an der Schläfe. Ich bin angehalten, ihn nicht aufzukratzen, um Narbenbildung zu vermeiden. Daran halte ich mich natürlich. Aber für immer kann dieser Schorf da nicht bleiben; irgendwann wird er verschwinden. Er wird sich auflösen und irgendwann abfallen, im Ganzen oder Stück für Stück. Irgendwo wird er sich also verteilen; so eklig das auch klingen mag. Aber das ist ja das, was sowieso die ganze Zeit passiert. Hausstaub besteht zu einem Großteil aus alten Hautschuppen. Wir häuten uns permanent. Wir lassen uns andauernd und überall zurück. Das ist vielleicht auch eine Praxis, um nicht aus der Welt zu fallen – seine Spuren zu hinterlassen, das will ja irgendwie jeder. Dafür machen wir die Dinge: die Kunst, die Texte, die heroischen Taten, die Grausamkeiten – um zu bleiben; sich festzusetzen wie ein Anker. Wie, wenn man bei einem Date den Pulli absichtlich liegen lässt, um sich nochmal treffen zu müssen. Als Beeinflussung des Schicksals, sozusagen. Wenn ich das meinem Schorf erzähle!