Du kannst jetzt aufgeben

In letzter Zeit wache ich oft mitten in der Nacht auf. Ich bin dann nicht todmüde und sauer, dass ich nicht schlafen kann – so ist das ja manchmal – ich bin einfach nur wach und mache eine Schlafpause. Dann stehe ich auf und tapse durch die dunkle Wohnung, ohne Brille. Alles ist verschwommen und und meine Augen gewöhnen sich nur ganz langsam an die Dunkelheit. Ich manövriere meinen Körper durch die Zimmer, weiche blind den Möbeln aus, deren Position ich kenne – hier drüben steht der Wäscheständer, hier hinten stoße ich mir immer das Schienbein.

Dann genieße ich die Geräusche der Nacht, die durchs geöffnete Wohnzimmerfenster kommen. Die Lastwagen, die über die Sonnenallee rauschen, die Hundebesitzer, die schlaflos um diese Uhrzeit ihre Hunde ausführen. Der Person, die zum dritten Mal bei meinen Nachbarn anruft, will man am liebsten durch die Leitung gut zureden: »Ich hoffe, bei dir ist alles okay, aber du kannst aufgeben. Es ist vier Uhr Nachts, da geht jetzt niemand ran.« Und auch ohne mein Handeln gibt sie irgendwann auf. Dann gehe ich zurück ins Bett, für die zweite Runde Schlaf.