Was es braucht, um sich hier nicht zu Hause zu fühlen

Hallo Leute, ich bin gerade in Augsburg. Ich muss mich ein bisschen entspannen von der Großstadt, und hier kann ich immer gut Luft holen. Meine einzige Aufgabe besteht darin, die Dean & David Stempelkarte durch den Verzehr von Green Smoothies zu füllen. Bis ich hier abreise ist die voll!

Es ist kurz vor Feierabend – hier schließt alles um 18 Uhr – und ich kaufe das letzte verbleibende Viertel Schrotkerndl in der Hofpfisterei. Damit laufe ich dann über den verregneten, leeren Rathausplatz, der bei sommerlichem Wetter normalerweise so dicht mit Menschen befüllt ist, dass man den Boden nicht sehen kann. Sie setzen sich alle auf das unebene Kopfsteinpflaster neben dem Brunnen. Es gibt keine einzige Bank, damit die Cafés an den Rändern ihre Stühle nicht umsonst aufstellen, und damit im Winter der furchtbare Weihnachtsmarkt aufgebaut werden kann. Auf keinem anderen Platz in der Stadt wird so viel Aperol Spritz von WhatsApp-Freundinnen mit teuren Handtaschen getrunken wie hier.

Aber jetzt ist der Platz leer, weil gleich alles schließt und die Luft nass ist vom Regen, und ich mache mich auf den Heimweg. Ich bin bei fünf von zehn Stempeln, ich muss also noch mindestens fünf mal mit einem D&D Getränk durch die Innenstadt spazieren. Gibt Schlimmeres. Hier kann man alles innerhalb von 20 Minuten erlaufen; es gibt in jeder Straße zwei unabhängige Buchläden, durch deren enge Regale man sich lesen kann, und das neue Café, in dem früher der Bastelladen war, verkauft sogar überteuerten Filterkaffee.

Die Frau an der Supermarktkasse schaut auf meine Berliner Sparkassenkarte und zieht die Augenbrauen hoch. Ich fühle mich hier auch immer ein bisschen als Fremdkörper – als würde man mich angucken. Das brauche ich, um hier nicht bleiben zu wollen; um mich in Berlin zu Hause zu fühlen. Auch hier fällt einem irgendwann die Decke auf den Kopf – irgendwann ist die Stempelkarte voll, und man hat alle Straßen gesehen, und beginnt, die Leute in Cafés zu treffen, die man nicht treffen will. Aber eine gute Woche hab’ ich noch. Dann hab ich sicher auch keine Lust mehr auf Green Smoothies.