Amor, der Liebesgott

Das energische Klingeln des Telefons weckt mich aus meinem Power Nap. Aus reinem Schock hebe ich ab, was ich normalerweise zu vermeiden versuche. Ich lande in einer Telefonkonferenz mit meinen beiden Freunden Alicia und Rudi. »Leute, ich wurde angeschossen! Von Amor, dem Liebesgott!« Rudi ey. »Ich hatte schon ein komisches Gefühl die ganze Zeit, muss ich sagen. Aber es passierte dann doch plötzlich Schlag auf Schlag. Ich konnte mich kaum umsehen, da war es schon im mich geschehen! Babette aus der 13! Oh mein Gott!«

Ich höre Alicia an ihrem Milkshake nippen, und wir beide wissen: Eine Reaktion ist hier noch nicht von Nöten; Rudi wird die kommenden Minuten mit einem Redeschwall füllen.

»Sie ist klasse! Ihr rotes, lockiges Haar, habt ihr das schonmal bemerkt?! Man will die ganze Zeit rein fassen und Dinge darin verstecken! Oh Mann. Ich bin ganz beschwipst vor Liebe! Es war Amor, mit seinem Liebespfeil!«

Ein unangenehmes Sauggeräusch lässt vermuten, dass Alicia nun am Boden ihres Milkshake-Bechers angekommen ist, und ergreift das Wort mit einem genervten Seufzen: »Wann habt ihr euch denn getroffen?« »Getroffen?! Noch gar nicht! ICH wurde getroffen! Hast du nicht zugehört? Jetzt liegt es in meiner Hand! Ich muss Amor überzeugen, ein weiteres Mal in seinen Köcher zu greifen und auch Babette mit einem seiner Liebespfeile zu beschießen. Ich weiß nur noch nicht, wie. Ich muss ihn überlisten!«

Ich nutzte die bisher verstrichene Zeit, die ich nur passiv als Zuhörer verbracht habe, mir meine Socken und die Jeans wieder anzuziehen. Ich hatte sie für den Mittagsschlaf abgelegt. Während Alicia den letzten Rest aus ihrem Becher saugt, google ich Bilder von Amor. Dicke Engel mit Pfeil und Bogen ergießen sich über dem Bildschirm meines Flip Phones, das ich gelegentlich zum Surfen nutze. Ich habe Angst, durchs Gucken allein selbst Opfer von Amors Pfeil zu werden. »Kennt sie dich denn überhaupt?«

Aus der Reihe: Halb-gare Romananfänge. Fortsetzung folgt (vielleicht).