Zur blauen Stunde

Es war der erste Sturm nach einer Reihe von heißen Sommertagen im Juli, der die Blaulichter in unsere Straße trieb. Kurz vor Mitternacht, und das Wohnzimmer füllte sich langsam mit dem Geschrei der Nachbarn; Kinderschritte auf dem Asphalt, Zurufe hallten an den Hauswänden entlang. Es war auch der erste Sturm, der den Schwefelgeruch in meine Wohnung trug. Und dann die Feuerwehrautos, meine Vermutung bestätigend, wie sie in ihrer Masse in die Straße rollten und die Leute magnetisch aus den Häusern zogen.

Unsere enge Straße war in ein sonderbares Licht getaucht – die Nacht, vermischt mit den grellblauen und roten Lichtern der Feuerwehrautos, den Polizeisirenen und dem Hundegebell; all das flackerte über die Wände und durchzog die Straße mit wilden Schatten. Immer mehr Menschen stolperten aus ihren Hauseingängen auf die Straße, um zu beobachten: Wie die Feuerwehrmänner den Schlauch auskurbeln, in den Hauseingang hinein und wieder heraus hasten, uniformiert und konzentriert. Die Kinder sind in der Überzahl. Sie untermalen das Rauschen und Blinken der Autos mit schrillen Jauchzern und Getrampel.

Am Fenster stehend schäme ich mich; komme mir noch schlimmer vor als die Gaffer da draußen auf der Straße. Über und unter mir schieben sich auch hin und wieder vereinzelt Köpfe in die Nacht; wir versuchen, unsere Ahnungen mit Beobachtungen zu untermauern. Aber alles ist ungewiss. Auf dem Gehweg unter dem Fenster torkelt ein Mann vorbei, hustet, röchelt, kommt ins Wanken. Die Frau bietet ihm eine Zigarette an. Er verschwindet. Und dann, aus dem Haus mit dem Rauch kommt ein Schrei, der das Gelächter und Geplauder durchzieht wie ein Schützengraben. In ihm: kein physischer Schmerz, keine Angst und keine Panik, so klingt ein Verlust; das Ablösen einer Kruste; das ins Schloss fallen einer Tür.

Nach dem Sturm vergeht eine Stunde, oder zwei. Die Nacht zwischen den Häusern hat sich beruhigt, und es steht zur Debatte, die Fenster doch über Nacht offen zu lassen, obwohl es immer so lärmt. Alles beim Alten, die Köpfe ziehen sich zurück.

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