Streams of Consciousness

image of a scarf with a glitch in its pattern

Ich denke darüber nach: Was sind heute noch gute Orte im Internet? Was kann ich ansteuern, das mich wirklich glücklich macht, erhellt, und mich mit einem guten Gefühl zurücklässt?

Früher kam ich von der Schule nach Hause und war voller Vorfreude darauf, die Lesezeichen meines Browser anzuklicken; Neues zu erfahren von Leuten, die mich wirklich interessierten; Themen, die mich anfixen konnten und meinen Horizont erweiterten. Damals waren das Blogs, und sie waren überschaubar: Vielleicht ein Duzend Websites, deren Autorinnen und Autoren echt waren, und denen es um die Inhalte und Geschichten ging. Spreeblick, Popnutten, Hurra, Gegenfrage, Franziskript, Riesenmaschine, you know who you are.

Heute gibt es diese Orte kaum noch. Oder es sind viel zu viele geworden: Ich folge auf Instagram und Twitter nur Menschen, die mich interessieren – aber es ist alles zu schnell und zu einfach. Digitale Inhalte verschwimmen und zerlaufen und sind zu sehr angereichert mit Irrelevantem. Das Dilemma ist, dass man nur durch Quantität an der Oberfläche bleibt, und da ist Überflüssigkeit folglich vorprogrammiert.

Marcel sagt, er habe sich komplett von seinen digitalen Newsstreams verabschiedet. Kein Instagram mehr, kein Twitter, keine Nachrichten. Nichts davon bringe ihn weiter, sagt er; er verpasse ja nichts, wenn er diesen Twitter-Streit oder jenen bissigen Kommentar nicht mitbekomme. Im Gegenteil: all das wühle ihn unnötigerweise auf. Das geht mir auch so; wann hat mich zuletzt eine flüchtige Online-Debatte bereichert? Ich fürchte, das ist zehn Jahre her (wenn es diesen Moment überhaupt je gab).

Stattdessen lese er eine Wochenzeitung, die ihm die Geschehnisse und Themen kondensiert und gleichzeitig vertieft. Auch das fand ich plausibel. Ich beneide ihn um seine Konsequenz, und gleichzeitig versetzt mir der Gedanke, nicht mehr mehrere Stunden am Stück in meinem Instagram-Stream zu versinken, einen kleinen Stich. Vermutlich das ultimative Zeichen, dass ich diesen Verzicht mehr als nötig hätte. Vielleicht kriegt man dann mal wieder mehr von anderen Streams mit, und das, was früher in meiner Lesezeichenleiste war, lässt sich heute eher bei gemeinsamen Küchentischabenden oder in Telefonaten finden. Es passiert ja alles gleichzeitig.